Bier-Spas kommen nicht an
Die Vorstellung von Bier als gesundem Nahrungsmittel ist seit langem umstritten. Egal, ob es als gut fürs Herz, als Erholungsgetränk oder als Getränk mit angerei-cherten Vitaminen und Nährstoffen gelobt wird: Das Bier ist sicherlich nicht das magische Elixier, für das es gehalten wird. Nicht nur, dass keine ausgewogene Er-nährung Bier enthalten sollte: Vielmehr ist es ein Getränk mit leeren Kalorien, das unter anderem das Lebererkrankungsrisiko erhöht. Und doch hindert all dies die Menschen nicht, sich überall auf der Welt in hopfenartigen, hefigen Bierbädern ein-zuweichen.
Als eine beliebte Attraktion in ganz Europa, vor allem in der Tschechischen Repub-lik, versprechen Bierbäder die beruhigenden Vorzüge eines traditionellen Spas und den zusätzlichen dermatologischen Vorteil der alkoholfreien Biermischung, in die die Besucher während ihrer Behandlung eintauchen. „Bierbäder sind ein bewährtes medizinisches Verfahren aus dem Mittelalter und sind dafür bekannt, die Poren zu reinigen, die Lungenzirkulation anzuregen, Haut und Haare zu regenerieren und das Nervensystem zu revitalisieren", sagt David Pšenička, Geschäftsführer von Beer Spa Bernard in Prag.
Als Geschäftsführer eines Vier-Sterne-Hotels in der Prager Innenstadt wollte Pšenička den Gästen eine Wellness-Alternative bieten, die der reichen Biergeschich-te Tschechiens Tribut zollt. Er hatte schon einige Bierbäder besucht, war aber von dem Service nicht beeindruckt: Es war weniger Spa und mehr unbeaufsichtigtes Gruppenbad (mit sehr wenig trinkbarem Bier). Im Beer Spa Bernard werden die Mit-arbeiter in der Massagetherapie geschult. Die Kunden - meistens Touristen - mie-ten den gesamten Wellnessbereich und haben während des 30-minütigen Bads un-eingeschränkten Zugang zum Bier der Brauerei Bernard. Während die Mischung in der Holzwanne selbst keinen Alkohol enthält (und heiß ist-ungefähr 97 Grad Fah-renheit), besteht es aus tschechischem Hopfen, Vitamin B, Korn, Hefe und Wasser. Wenn es absorbiert wird, soll dieses Badebier Haut und Haare weich und geschmei-dig machen und die Muskeln entspannen. Um die volle Wirkung zu erzielen, wird empfohlen, nach der Sitzung 12 Stunden lang nicht zu duschen.
Untersuchungen haben gezeigt, dass bestimmte in Bier enthaltene Verbindungen antibakterielle und entzündungshemmende Wirkungen haben und potenziell zur Linderung der von Ekzemen, Pigmentstörungen, Hautinfektionen und Hautalterung beitragen können. Jedoch ist Dr. Cameron Rokhsar, klinischer Professor für Der-matologie am Mount Das Sinai Hospital, skeptisch gegenüber der Wirksamkeit der Mischungen in Bierbädern. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bierbadbesucher irgendwelche positiven Auswirkungen spüren", sagt Dr. Rokhsar. „Diese Hydratisie-rung kann ebenso bei einem normalen Bad ohne diese Zusätze erreicht werden."
„Ich fühlte genau das, was man auch fühlen würde, wenn man eine Stunde lang in einem Whirlpool gesessen hat", sagt Reisebloggerin Ashley Smith. Bei ihrer Reise-planung in Prag stellte Smith fest, dass die vielen Bier-Spas in der Stadt, anstatt zur Hautverjüngung beizutragen sich eher zu einer würdigen Touristenattraktion ent-wickelten. Bei ihrer Sitzung in Spa Beer Land saßen Smith und ihre Gruppe in zwei Wannen mit heißem Wasser, das mit Hopfen, Bierhefe und Malz aromatisiert war. Der Begleiter, der die Bäder mit den Bierzutaten bespritzte, erklärte, dass die Mi-schung angeblich den Stoffwechsel ankurbele, die Immunität erhöhe und gleichzei-tig Stress minimiere. Für Smith fühlte es sich eher an, als würde man eine Stunde lang „in einer Bierbrühe kochen" - dazu ein gezapftes Bier aus Krušovice. Am Ende der Stunde trank Smith kurz den Hopfen aus und ließ das Bierwasser in ihre Haut eindringen. Sie fühlte sich tatsächlich weicher an, bemerkte sie.
Es ist wegen der Hopfen, sagt Sally Champa, Masseurin, Kräuterkundlerin und Be-sitzerin des „Hop In The Spa", dem ersten Bier-Spa in den USA, in Sisters, Oregon. Vor etwa zweieinhalb Jahren schlug eine Kundin, die kurz vorher von einer Europa-reise zurückgekommen war, vor, Champa solle Bier in ihre Praxis aufnehmen. Sie hatte bereits Hopfen in einigen ihrer Kräuterprodukte verwendet und eine Bierbad-mischung mit Hopfen aus der Region kreiert. Hop In The Spa bietet Champas soge-nannte „Hopfenhydrotherapie" an, bei der ihre eigene Mischung aus Hopfen, Gerste, Bier, Kräutern, Mineralien und Ölen in die Haut eindringt, um entzündungshem-mende, hautberuhigende und muskelentspannende Wirkungen zu erzielen. „Hopfen ist ein Kraut", sagt Champa. „Es ist ein Cousin von Cannabis und hat die gleichen Eigenschaften. Beim Einweichen sind dort wahrscheinlich 150 Hopfenblumen. Die Öle sind in das Wasser eingedrungen [und] sie absorbieren und bekommen die Öle vom Hopfen auf ihre Haut."
In Island wirbt Bjórböðin Beer Spa für ähnliche Ergebnisse: Verbringe eine halbe Stunde in einer warmen Mischung aus Wasser, Bierhefe, jungem Bier und Hopfen und das Vitamin B, Kalium, Eisen und andere Vitamine in der Hefe werden Haut und Haare verwandeln. Der Schlüssel zu den nährstoffreichen Eigenschaften ist die Tat-sache, dass das Badebier nicht dasselbe Getränk ist, das aus den Hähnen gezapft wird. „Das Bier, das wir im Bad verwenden, befindet sich in einem frühen Stadium der Fermentation und ist daher nicht trinkbar", sagen Ragnheiður Gudjonsdottir und Sigurður Ólafsson, Manager und Chefbrauer in Bjórböðin. „Es ist besser, dass das Bier meistens alkoholfrei ist. Nach dem vollständigen Fermentieren von Bier verliert es viele seiner gesunden Bestandteile, die das Bierbad so wertvoll machen."
Aber wie effektiv ist dieses Zeug, wenn es darum geht, die Epidermis zu durchdrin-gen? Wenn ein Molekül nicht sehr klein ist (wie in topischen Arzneimitteln), ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass es in den Körper gelangt. „Wir nennen das aus gu-tem Grund eine Hautbarriere", sagt Dr. Rokhsar. „Nur weil etwas auf deiner Haut sitzt, heißt das nicht, dass es absorbiert wird. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass das Zeug nicht die Hautbarriere durchdringt.“ Was bedeutet, dass Bierbadegäste unnötigerweise gesagt wird, dass sie den Rest ihrer Tage mit einer klebrigen Bier-schicht zubringen müssen und nicht duschen dürfen, um die vollen Vorteile zu ge-nießen. Jede Hautglätte kann so der feuchtigkeitsspendenden Wirkung des warmen Bades beigemessen werden, so Dr. Rokhsar.
Obwohl frühe Forschungsergebnisse gezeigt haben, dass Bierhefe bei der oralen Einnahme von Akne helfen kann, gibt es immer noch nicht genug Daten, um dies mit Sicherheit zu bestätigen. Außerdem sollten diejenigen, die Hefe-Infektionen haben oder gegen Hefe allergisch sind, nicht darin baden.
Die Ironie, dass die Gäste bei einem Service, der angeblich Ihre Haut entgiften soll, zum Trinken angehalten werden, ist Smith nicht entgangen. Dennoch hat sie nicht den Nervenkitzel eines Bier-Spa verloren - denn sie würde es auf jeden Fall noch einmal versuchen. Schließlich ist es keine schlechte Erfahrung, sagt sie, allerdings sollte dieser Service nicht als Therapie genutzt werden. „Ehrlich gesagt denke ich nicht, dass es dir schaden wird", fährt Dr. Rokhsar fort, "ich denke, dass es eben nur ein ausgedehntes Bad ist."
Autor: Allie Volpe, Playboy US